Wanderung 4: (24.10.2018)

Nach einer viel zu kurzen Nacht, ich habe im gestrigen Bericht vergessen zu erwähnen, dass einer der Pädagogen in seinen Geburtstag feiern wollte, standen wir mit immer noch von Müdigkeit schweren Lidern auf. Als wir unter unser Vordach gingen, um das Frühstück vorzubereiten, wussten wir schon, dass es heute für die Grenzgänger ein harter Tag werden würde. Es nieselte zwar nur sacht aber beständig, aber der böige Wind trieb diese Nässe zum Teil wie eine Wasserwand vor sich her. Nur noch die Hälfte des uns zur Verfügung stehenden Platzes stand uns zur Verfügung, die andere war komplett nass. Leider standen auf dieser Seite aber auch unsere Lebensmittel, zum Glück wasserdicht verpackt, das Geschirr und die Bänke – beides nicht wassergeschützt.  Also trockneten wir die Bänke und Tische so gut wir es konnten und das Geschirr war heute besonders sauber, denn wir hatten es ja gestern schon gespült und abgetrocknet.

Der böige Wind trug nicht zur heimeligen Atmosphäre bei und nur warmer Tee, Kakao oder Kaffee (für die Pädagogen) ließ alle ausharren und sich mehr oder weniger tapfer auf die Wanderung freuen. Bevor es losging mussten wieder die allmorgendlichen Arbeiten erledigt werde. Die Hänger wurden mit dem persönlichen Gepäck und der „Feldküche“ beladen und die Turnhalle wurde, wir zogen heute wieder um, gründlich gereinigt.

Im Anschluss wurden alle Wanderer zum Startpunkt gefahren, das Organisationsteam übergab die Schlüssel an den Verantwortlichen und nach ausgiebigen Worten des Dankes fuhren sie los, um den neuen Übernachtungsplatz vorzubereiten – also den oben genannten Vorgang, sie wissen schon, zu wiederholen. ….und täglich grüßt das Murmeltier!

Während wir die Kinder und Pädagogen zu den Startpunkten fuhren, beobachteten wir fasziniert immer wieder die Landschaft. In einem Bericht vor unserer Wanderung erzählte ich über unsere Begegnung mit Xenia Scherz, einer Biologin, die uns die dringend notwendige Nachhilfe zur Natur insbesondere der in Siegburg angedeihen ließ. Auch hier hätten wir sie dringend benötigt, denn die Vielfältigkeit der Kulturlandschaft Deutschland ließ unser relativ frisch erworbenes biologisches Halbwissen gen Null sinken. Neben der sicherlich ertragreichen Forstwirtschaft sahen wir nur wenige landwirtschaftlich genutzten Anbauflächen, wie sie ja in der fruchtbaren Rheinebene durchaus üblich sind oder waren. Häufig sahen wir hier hingegen große Rinderherden, die der teilweise sehr rauen Landschaft besser trotzen konnten, als es der Anbau von Getreide es gekonnt hätte. Salate, Kräuter oder Obstbäume sah ich nur in den Gärten der jeweiligen Dorfbewohner und die Anbaufläche ließ mich darauf schließen, dass hier vieles nur für den Eigenbedarf angebaut wurde. Ich fragte mich, inwieweit das sozialistische Prinzip der Planwirtschaft Einfluss auf die Landwirtschaft hier hatte. Allerdings wird es auch den Machthabern der ehemaligen DDR kaum gelungen sein, die meteorologischen Bedingungen dieses Landstriches maßgeblich zu beeinflussen. Und es gibt andere vergleichbare Gebiete in Deutschland, die auch dort den wirtschaftlichen Anbau von Weizen, Gemüse, etc. kaum sinnvoll erscheinen lassen.

Fast hätte ich die eigentlich wichtigen Protagonisten vergessen, denn diese      

hatten die heutige Strecke unter die hoffentlich wasserdichten Schuhe genommen. Nach einigen Wirrungen, es war den Vorgehendem scheinbar die sinnmachende Richtung abhandengekommen, fand man dann doch den richtigen Weg. Die sich in aller Ruhe noch die Schuhe Zubindenden jauchzten. Sie hatten sich durch ihre Trödelei zusätzliche Wege erspart. Aber auch der folgende Weg war schwierig und war ohne „Mut zur Lücke“ oft nicht zu finden. Die Natur ist kein leicht zu überzeugender und selten zu besiegender Gegner. Die mit Mühe geschlagenen Kolonnenwege, die bergauf und bergab durch die Wälder führten, waren kaum noch zu erkennen. Nur noch selten fanden sie noch einen intakten Weg, denn der Wald hat längst begonnen in aller Ruhe aber mit großer Konsequenz, den ruhmlosen Ort zurück zu erobern. Oft ließen nur noch einzelne Steine einen möglichen Weg erahnen. Ganze Teile waren als kleine Lawine den Berg hinuntergespült worden, andere waren durch den dichtstehenden gar nicht mehr jungen Wald unpassierbar geworden. Durch Büsche, bergauf und –ab schlugen sie sich tapfer durch die Wildnis und nur mit viel Glück aber auch einer großen Portion Pfadfindertum fanden sie immer wieder Überbleibsel des Weges und damit die korrekte Richtung. Und das trotz des unaufhörlichen, die Kleidung durchdringenden Regens. Nach vielen Stunden Fußmarsch und langsam auskühlenden Körpern erreichte die tapfere Schar endlich den Zielpunkt, wo die Busse sie erwarteten. Die Rückfahrt war für einige ein einziger Kampf, denn die Heizung wärmte zwar den Körper, ließ aber trotz heftiger Gegenwehr die Augen wie von Geisterhand zufallen.

Wie im letzten Jahr hatten wir auch in diesem Jahr eine Luxusherberge. Wir brauchten für eine Nacht weder Schlafsack noch Isomatte, denn wir durften in Betten schlafen. Selbst drei oder vier Personen Suiten erscheinen dann in manchen Situationen wie Herbergen für Monarchen und deren Entourage.

Nach Duschorgien im großen Stil gab es dann auch ein „königliches“ Mahl, die Vor- und Nachspeise war leider abhandengekommen,  wollten die Kinder natürlich die Freiheit ihrer Zimmer genießen, in denen es auch Fernseher gab. Beim späteren Rundgang mussten die meisten Fernseher von uns ausgeschaltet werden, weil sie ihr Programm vor schlafenden Kindern und Jugendlichen ausstrahlten.

Auch wir saßen nicht mehr allzu lange in gemütlicher Runde zusammen, den Stunden summieren sich zu Tagen und so lassen sich auch die Älteren gerne vom Schlaf übermannen.

 

P.S.

Ich komme aber nicht umhin, Ihnen von einem unglaublichen Erlebnis am Rande unserer Wanderung zu erzählen. Ich möchte voran schicken, dass wir wirklich begeistert von der Gastfreundlichkeit der Menschen links und rechts des Grenzweges sind. Immer erhielten wir freundliche Auskunft und meist fanden wir Menschen die uns helfen wollten und begeistert waren, dass wir mit Kindern und Jugendlichen durch unsere Wanderung Interesse an ihrer Geschichte dokumentieren. Aber manchmal verbleibt mir nur die Möglichkeit, fassungslos den Kopf zu schütteln und mich umzudrehen über die Ignoranz und nicht beschreibbaren Dummheit mancher Mitmenschen.

Es handelt sich im Folgenden nicht etwa um eine Anekdote oder Fiktion, sondern um erlebte Geschichte:

Zwei Pädagogen fahren die für das jeweilige Jahr geplante Strecke ab, um entsprechende Unterkünfte für die Herbstwanderung auf dem Grenzweg zu finden und zu buchen. Dieses Jahr wollten wir eine Unterkunft in Eisfeld buchen. Der Ansprechpartner trat freundlich auf und teilte nach kurzer Zeit mit, dass wir das Gebäude für den Zeitraum benutzen dürften. Schon im Weggehen erklärte der Mann aber, dass die Übernachtung jedoch an zwei Bedingungen geknüpft sei:

1. Wir dürfen keine Hieb- und Stichwaffen mitbringen. Eine, wie ich sagen muss, vernünftige Regel, die den einen oder anderen Streit unblutiger lösen lässt und außerdem wollen wir neue deutsche Geschichte erfahren und nicht neue Länder erobern!

2. Außerdem, so erklärte er allen Ernstes, dürft ihr keine Flüchtlinge mitbringen. Was soll ich dazu sagen oder schreiben? Es verblieb nur eines – unsere Bedingung 3:

3. Wir haben kein Interesse an seiner Unterkunft, die er sich - Entschuldigung - in die Haare schmieren kann.

Wie oben beschrieben, haben wir eine Unterkunft in Neuhaus am Rennweg ohne derartige, sinnentleerte Regeln gefunden.