Wanderung 3: (16.10.2019)

Ich hoffe, dass die Leser nicht zu sehr enttäuscht sind, dass wir erst jetzt über unsere neuesten Erlebnisse auf und neben der Grenze berichten. Aber nicht immer können wir die gesegneten Errungenschaften der Technik nutzen, um unsere Berichte auf die Seite des Kinderheimes zu stellen, denn manchmal verweigert das Internet bzw. W-Lan jede Zusammenarbeit. Dann sitzen wir lange vor dem Computer und irgendein virtueller Bit zeigt uns die lange Nase und nichts geht mehr. Trotzdem möchten wir Ihnen die Erlebnisse des dritten Tages zu Gehör bringen.

Wie schon geschrieben und durch einige Bilder bewiesen, sind wir gestern beim TSV Trappstadt angekommen und wirklich freundlich empfangen worden. Egal was wir auch fragten, welche Sonderwünsche wir äußerten, für Schmitti, so stellte sich der junge 1. Vorsitzende vor, war alles kein Problem. Spät am Abend, als alle Kinder und Jugendlichen schon schliefen, tranken wir gemeinsam ein auf Hefe basierendes Gerstenfrischgetränk und unterhielten uns über „Gott und die Welt“.

Es ist immer wieder anrührend, wie freundlich wir meistens empfangen wurden. Tatsächlich braucht es dazu nur wenig Werkzeug: Wir bewegten uns auf eigenen Füßen stetig und achtsam durch die Wälder und Auen und hatten wirklich Interesse, von den Erinnerungen und Erfahrungen der Menschen zu hören. Vielleicht hat der Begriff Vaterland mittlerweile einen sehr schlechten Geschmack und erinnert an viele dunkle Seiten unserer Geschichte. Aber möglicherweise können wir, wie Hannes Wader in einem Lied einmal vorschlug, den Begriff Vaters Land benutzen und dieses ist es allemal wert, erkundet zu werden. Und eigentlich war das unsere Idee, als wir 2017 erstmals losliefen, um diese Grenze, die Vaters Land brutal in zwei Hälften zerschnitt, zu erkunden.

Und Schmitti erzählte viel über diesen Teil Bayerns, in dem er groß wurde und dem immer mehr Menschen flüchten, weil sie arbeiten und eine neue städtische Welt erobern wollen. Immer wenn er feiern will, fährt er mit seinen Freunden auf die Volksfeste in Thüringen, denn dort wird, so Schmitti, besser und schöner das „Volk“ gefeiert.

Irgendwann rief das „Bett laut und vernehmlich“ und wir verschoben weitere Gespräche auf morgen.

In der Nacht hatte es geregnet. Der noch in der Luft schwebende Dunst verwandelte sich in immer neue Rottöne, als die Sonne versuchte, ihn zu vertreiben. Nachdem das Frühstück gerichtet war, weckten wir die Kinder und Jugendlich und genossen im entstehenden Morgen das gemeinsame Essen.

Nach einem morgendlichen Input, Frau Boddenberg erzählte heute eine Geschichte über eine Krähe, die nicht nur ihre Fähigkeit des Fliegens entdeckte, sondern auch das Krächzen erlernte, fuhren wir unsere Grenzgänger zum „Grünen Band“.

Heute war der berühmt und berüchtigte dritte Tag. Eine Art Freitag der Dreizehnte für alle Menschen, die Bewegung lieben. Eine Mär wird erzählt, dass gerade an diesem dritten Tag viele Unfälle passieren. Die Menschen sind erschöpfter und die Gefahr einer Verletzung steigt. Nun waren wir nicht abergläubisch und wer will sich schon durch alten Aberglauben beeinflussen lassen. Aber wer weiß und sicher ist sicher – wir wanderten heute nur knapp mehr als 15 km.

Schnell umfing uns wieder die Bergwelt der Rhön. Wieder wanderten wir bergauf und bergab und auf den Höhen, wo die Bäume der Forst- oder Landwirtschaft hatten weichen müssen, pfiff uns ein kalter Wind um die Ohren. An einem idyllischen Platz im Schatten einer dieser kahlen Kuppen machten wir eine Pause, um unser wohlverdientes Lunchpaket zu verdrücken. Plötzlich drangen Stimmen an unser Ohr und eine weitere große Wandergruppe betrat unseren Ruheplatz. Vor 30 Jahren fiel die Grenze und sie hatten sich in diesem Jahr in der Zeit vom 03.10 -09.11. aufgemacht, um entlang des grünen Bandes für den Frieden und das Glück der Grenzöffnung zu pilgern. Sie pilgerten, wie uns einer der Leiter erklärte, aus zwei Richtungen aufeinander zu. Eine Gruppe begann in Lübeck und die zweite Gruppe in Hof. Am 9.11.2019 wollen sie sich auf dem Brocken zu einem Abschluss Gottesdienst treffen. Alle Wanderer waren von den Leistungen unserer Kinder beeindruckt und so bekamen sie bunte Armbänder, die an die Pilgerwanderung erinnern sollten. Die meisten Kinder trugen sie wie Ehrenabzeichen und zogen stolz ihrer Wege. Kurze Zeit später erreichten wir Irmelshausen, wo uns die Busse schon erwarteten, denn wir durften noch eine Nacht im Vereinsheim des TSV Trappstadt bleiben.

Heute mussten wir früh essen und da wir auch den dritten Tag ohne große Läsuren hinter uns gebracht hatten, wurde gegrillt. Das Fleisch und der Nudelsalat schmeckten hervorragend und füllten unsere leeren Mägen. Schnell wurde alles aufgeräumt und wir genossen unser Abendprogramm: Der TSV Trappstadt hatte ein Trainingsspiel und ich glaube, selten hatte eine Fußballmannschaft mehr Fanunterstützung als an diesem Mittwochabend, denn wir brüllten uns für den TSV die Seele aus dem Leib. Anfänglich noch irritiert, genoss die U17 Mannschaft die Anfeuerung dann sehr und spielten mit großem Elan. Ein als Salomonisch zu beurteilendes 3:3 entsprach zwar nicht unseren Hoffnungen, war aber nach Aussage unseres Fachmanns Schmitti angemessen.

Mittlerweile war es spät geworden; wandern und schreien forderten Tribut und alle suchten schnell ihre spartanischen Schlafstätten auf. Nur einige Unentwegte sprachen mit Schmitti noch über Fußball, unsere Wanderidee und dies und das, bis dann auch sie das Licht am späten Abend löschten, denn morgen lockten 25,2 km.