»Grenzwanderung« – Wanderung entlang der innerdeutschen Grenze

Über Grenzen gehen….!                                                                                    

Schon im Jahr 2019 fragte ich Sie, „erinnern Sie sich noch?“

Wir, Kinder, Jugendliche und Erwachsene hatten uns auf den Weg gemacht, um unseren Grenzweg weiter zu erwandern. Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir uns von Ihnen verabschiedeten und Sie gleichzeitig baten, uns auch im nächsten Jahr auf unserem Weg zu begleiten.

Einen Weg, der aus einem Land, dass eigentlich zusammen gehörte, zwei Länder machte. Zwei Länder, die sich, durch zwei unterschiedliche Ideologien, „spinnefeind“ waren. Einen Weg, der einem Todesstreifen gleich, verhindern sollte, dass die Menschen der Macht der Diktatur fliehen konnten. Trotzdem versuchten es die verzweifelten Menschen und viele bezahlten ihren Mut mit dem Tod.

Glücklicherweise existiert dieser Weg nur noch als Mahnmal für eine Zeit der Dunkelheit und soll uns, wenn wir ihn gehen, mit seinen vielen leibhaftigen Überbleibseln, an diese Zeit erinnern. Wie schön dieser Weg ist und wie spannend die Erzählungen der Zeitzeugen sind, habe ich schon hinlänglich erzählen dürfen.

Sie werden sich wahrscheinlich nicht gewundert haben, dass Sie im letzten Jahr keinen weiteren Bericht zu unserer Wanderung fanden. Auch wir wurden ein Opfer des Virus und es wäre äußerst fahrlässig gewesen, hätten wir uns auf den Weg gemacht. Wir blieben in unserer Einrichtung und litten unter den unterschiedlichen Einschränkung, die speziell unseren Kindern und Jugendlichen das Leben schwer machten. Aber wir alle wussten – im nächsten Herbst würden wir wieder auf „unserem“ Weg gehen und hoffentlich wieder den Menschen begegnen, die ihre Erfahrungen auf und neben der ehemaligen Grenze mit uns teilen würden.

Und tatsächlich war das Glück uns hold und wir durften, selbstverständlich unter Einhaltung der 3G Regeln, auf dem uns mittlerweile so vertrauten Weg wandern.

Am 09. Oktober 2021 fuhren 34 Kinder, Jugendliche und Erwachsene los, um auf neuen, alten Wegen zu wandern.

Jürgen Schmitz


In den nächsten Jahren wollen wir uns mit unserer Einrichtung auf eine Reise und Spurensuche entlang des lebendigen Denkmals jüngerer deutscher Zeitgeschichte begeben und unseren Blick durch die Zeit vom Kalten Krieg bis zur Wiedervereinigung schweifen lassen.

 


Eine Grenze…
…viele geschichtsträchtige Erfahrungen

Die innerdeutsche Grenze trennte bis 1989 die Deutsche Demokratische Republik von der Bundesrepublik Deutschland. Mit einer Gesamtlänge von fast 1400 Kilometern zog sie sich einst beginnend am Dreiländereck und endend an der Lübecker Bucht von Süden nach Norden durch die heutige Bundesrepublik. Ursprünglich von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges festgelegt, sollte der Grenzverlauf auch in den folgenden Jahrzehnten fortbestehen.

Die Grenze wurde im Lauf der Jahre seitens der DDR immer weiter verstärkt und war stellenweise bis zu 5 Kilometer breit sowie als Sperrgebiet ausgewiesen. An die breite vorgelagerte Sperrzone grenzten ein 500 Meter breiter Schutzstreifen, ein etwa 10 Meter breiter Kontrollstreifen und schließlich der Grenzzaun bzw. die Grenzmauer (an Stellen mit häufigen Fluchtversuchen). Der Kontrollstreifen wurde auch als „Todesstreifen“ bezeichnet, da er zwischenzeitlich gar mit Minen und Selbstschussanlagen ausgestattet war.

Eine Grenze…
… viele Fluchtversuche

Bis zum Mauerfall verließen insgesamt ca. 3,8 Millionen Menschen die DDR – eine Großzahl hiervon beging Republikflucht. Gerade aus diesem Grund wurde die Grenze immer weiter verstärkt bzw. bewacht.

Schätzungen zufolge starben insgesamt über 300 Menschen beim Versuch, die Grenze zu überwinden.

Eine (ehemalige) Grenze …
…heute

Da der gesamte Bereich entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze über Jahrzehnte beinahe unberührt blieb, entwickelte sich hier ein gänzlich naturbelassener Lebensraum, der viele vom Aussterben bedrohte Pflanzen- und Tierarten beheimatet. Dieser Bereich soll unter Naturschutz gestellt werden und wird als »Grünes Band« bezeichnet.

Noch heute ist der ehemalige Grenzverlauf an vielen Stellen deutlich zu erkennen. Zudem sind Teile der Grenzbebauung wie ehemalige Wachtürme oder Mauerteile erhalten und bieten bis heute interessante Einblicke in die deutsche Vergangenheit.

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Über Grenzen gehen….!                                                                                    09.10.2019

Vielleicht erinnern Sie sich noch? Im letzten Jahr begann unsere Reise zu der Grenze, die unser Land in zwei Teile zerschnitt, mit einer Geschichte in einem Apfelhain. Frau Xenia Scherz von der Biostation des Rhein-Sieg-Kreises erklärte uns die Bedeutung von Streuobstwiesen und zeigte uns die vielen kleinen, oft unbemerkten Lebewesen, die ein derartiges Habitat bewohnen. War mir damals leider nur Herr Ribbeck mit seinen berühmten Birnen bekannt, kann ich Ihnen in diesem Jahr, nach längerer Rücksprache mit Frau, Herr und Es Google etwas differenzierte Aussagen zu Äpfeln anbieten:

Der Apfel ist viel mehr als nur eine köstliche Frucht. Schon seit Adam und Eva kommt ihm eine besondere Bedeutung zu, in Liedern wird er besungen, Aphorismen und Sprüche ranken sich um ihn. Er ist Symbol der Verführung, sinnlich, rund, süß und saftig.

Er kann auch Gefahr sein: Im Märchen will die böse Stiefmutter  Schneewittchen mit einem vergifteten Apfel töten. Kein Wunder, dass ihm viele Lieder, Gedichte und Sprüche gewidmet wurden.

Jedoch beschreiben die folgenden Verse von Goethe, sind sie doch auch die pragmatischsten, den Apfel vielleicht am besten:

 

„Über Rosen lässt sich dichten,
in Äpfel muss man beißen“ (aus Faust II, Johann W. v. Goethe , 1749-1832)

 

Wer diese Zeilen sieht und uns zuvor eifrig lesend auf unserer Wanderung begleitet hat, weiß nun genau, das Kinderheim ist wieder auf Tour. Fernab von heimischen Streuobstwiesen, heraus aus dem Schatten der Wolsdorfer Berge, werden wir wieder auf den Spuren Deutscher Vergangenheit wandern; weitere Etappen unserer Grenzwanderung erwarten uns.

Nun schon zum dritten Mal werden wir das „Grüne Band“ entlanglaufen und uns den vielfältigen Erfahrungen und auch den Anstrengungen stellen. In der Zeit vom 14.10. – 19.10. 2019 wollen wir 114 km von Lindenau bis Birx wandern. Haben anfänglich auch viele über unser Vorhaben den Kopf geschüttelt und glaubten, unser Ziel sei zu hochgesteckt, stellten wir fest, dass immer mehr Kinder und Jugendliche ihr Interesse bekundeten und auch immer mehr Pädagogen ihre Begleitung anboten. Mittlerweile ist unsere „Wandergruppe“ auf 54 Personen angewachsen und tatsächlich sind viele der Betreuten schon zum dritten Mal dabei.

 

Wir laden Sie ein, uns wieder auf unserer Wanderung zu begleiten, indem Sie unseren Zeilen, unseren Berichten, die auf der Facebook Seite des Kinderheimes Pauline von Mallinckrodt abgebildet sein werden, folgen.

 

Jürgen Schmitz