Über Grenzen gehen - Das Kinderheim auf der nächsten Etappe der Grenzwanderung

Veröffentlicht am 07. Oktober 2022 | Themen:
Samstag Anreise 01.10.
Wenn sich der Sommer dem Ende neigt, die ersten Bäume die Farbe ihres Blattkleides verändern und die Tage wieder kürzer werden, beginnt die Zeit der schönen Herbstspaziergänge. Ähnlich geht es auch bei uns in der Pauline zu! Stehen die Herbstferien vor der Türe herrscht in den Jugendgruppen und bei unserem Arbeitskreis „Flexible Betreuung“ rege Betriebsamkeit und erste ToDo-Listen werden „wie jedes Jahr“ herausgekramt und abgearbeitet.
Denn „wie jedes Jahr“ machen sich die Jugendlichen unserer Einrichtung auch in diesem Herbst wieder auf, um einen geschichtsträchtigen Pfad Schritt für Schritt zu erkunden.
Die „Grenzwanderung“ steht kurz bevor! Es werden Wanderschuhe geputzt, Regenhosen und Softshelljacken aus dem Schrank geholt und noch einmal durchgezählt, ob auch ausreichend Schlafsäcke und Isomatten eingepackt wurden. Das „Orga-Team“ prüft das Material, die Lebensmittelvorräte und geht die Wanderrouten der bevorstehenden Etappe durch.
Am 01.10. ging es dann in diesem Jahr los! Die Autos voll mit Jugendlichen und ihren „Schutzengeln“ (die Pädagog*innen aus den entsprechenden Gruppen), die Anhänger beladen mit sämtlichen Küchenutensilien, Gepäck und allem, was für ein solches Abenteuer noch so braucht.
9:00 Uhr laden, 11:00 Abfahrt, so war der Plan! Effektiv machte sich ein Großteil der Kolonne rechtzeitig auf den Weg, während ein Gespann noch auf eine spontane Reparatur wartete. Erstes Hindernis und das noch bevor, die Reise tatsächlich begonnen wurde.
Nach ca. 1 ½ Stunden war aber auch das letzte Fahrzeug auf der Autobahn und beflügelt von dem Gefühl, bereits das erste Problem gelöst zu haben, steuerten nun alle Fahrzeuge nach Gerstungen! Der Ort, an dem im vergangenen Jahr die Grenzwanderung ihr Ende fand, sollte in diesem der Startpunkt sein. Vor Ort angekommen kamen die ersten Sätze: „Ich habe das Gefühl, ich war gestern erst hier!“, „Laufen wir morgen vor hier aus los?“, „Wie lange ist die erste Strecke morgen? Gibt es viele Berge?!“
Mit diesen Gedanken und gestärkt vom ersten gemeinsamen Abendessen genossen Jugendliche und Betreuer*innen noch einmal die sternklare Nacht und zogen sich dann in ihre Schlafsäcke zurück.
Sonntag Gerstungen – Herleshausen 02.10.
Die erste Nacht in Gerstungen war recht kurz, stand der Wandergemeinschaft heute mit 21 Kilometern und 450 Höhenmetern bereits die zweitlängste Strecke der Woche bevor. Die älteren Jugendlichen gaben sich routiniert und aus den vergangenen Jahren erfahren und fanden recht zügig in ihren Rhythmus. Die jüngeren Teilnehmenden und die, die das erste mal mit dabei waren, benötigten da schon mehr Unterstützung. Bekannte und häufige Sätze sind an dieser Stelle: „Nein, Turnschuhe reichen nicht!“, „Hast Du die richtigen Socken an?“, „Denkt bitte an Deine Regenjacke!“ oder „Niemand geht ohne Lunchpaket und einer vollen Trinkflasche los!“
Trotz der langen Distanz zeichnete sich auf dem Weg bereits eine gute Stimmung in der Gruppe ab. Ging es auch einmal steil bergauf oder musste hier und da auf ein paar Jugendliche gewartet werden, die die körperliche Herausforderung doch unterschätzt hatten, wurde sich unterstützt, motiviert und zum Lachen gebracht.
Als die Wandergruppe dann in Herleshausen ankam, warteten bereits die Shuttlebusse und eskortierten die sichtlich erschöpften Teilnehmenden zurück zur Unterkunft nach Gerstungen. Vor Ort wartete bereits warmer Tee und leckerer Bauerntopf! Denn auch, wenn die Wetterprognose ab morgen einen goldenen Herbst erwarten ließ, war der erste Wandertag eher klamm, frisch und von Schauern durchzogen.
Am Abend spürten dann auch alle, welche Strecke sie bereits zurückgelegt hatten. Viele schlüpften schnell in ihre Schlafsäcke, einigen wurden die ersten Blasen versorgt („Hattest Du WIRKLICH die richtigen Socken an?“) und die jüngsten in der Runde tobten noch durch die Turnhalle, um auch das letzte Quäntchen Energie für den Tag aufzubrauchen.
Die ersten Automatismen stellen sich ein. Die Wecker der Pädagog*innen wurden gestellt, die Kleidung der Jugendlichen für den Folgetag rausgelegt.
… 22:00, Licht aus, schlafen!
Montag 03.10. Herleshausen-Ifta
Der zweite Morgen, die zweite Route, der erste Umzug!
Das bedeutet für die Schutzengel nicht nur, die Jugendlichen zu wecken, sie anzutreiben, sondern auch zu schauen, dass alle Taschen gepackt und alle Schlafsäcke wieder eingerollt werden. Ach und ganz nebenbei, die eigenen Sachen zu verstauen und sich selbst auf die nächste Wanderstrecke zu präparieren. Beim Frühstück wird dann die Route des Tages erläutert, während Brötchen, Müsliriegel und Trinkflaschen in die Rucksäcke wandern und Pflaster, Cremes, Kühlpacks auf die Taschen der Schutzengel verteilt werden.
Die Strecke heute, ist nach der stolzen Distanz vom Vortrag ein Witz! Lediglich 15 Kilometer sollen es bis Ifta sein. Unterwegs stellten aber alle Beteiligten ausnahmslos fest: Es kommt nicht nur auf die Distanz an. Ein Großteil der Strecke bestand aus Kolonnenweg, für die Jeeps der Grenzer vielleicht keine große Herausforderung war, aber unangenehm werden kann, wenn er sich über einige Höhen und Tiefen erstreckt. „Warum liegen hier überall diese Betonplatten?“ „Was war nochmal genau am 03.10.?“ Nachdem im Morgenimpuls bereits an das Datum als Tag der Deutschen Einheit erinnert wurde, waren die Schutzengel heute neben vielen motivierenden Worten oft damit beschäftigt, Fragen zu beantworten. Immer wieder ergaben sich Situationen, in den die Jugendlichen kurz innehielten. Eine Grenze quer durch Deutschland ist für die Teilnehmenden völlig unverständlich. Auch die Vehemenz mit der diese verteidigt wurde und mit welchen Dramen ein versuchter Grenzübertritt in Verbindung stand, wurden mit den Betreuten altersentsprechend besprochen und hinterließ nachdenkliche Gesichter.
Von Ifta nach Treffurt - 04.10.
Der 3. Tag startet mit einem gemütlichen Frühstück. Da heute kein Umzug anstand, konnte alle ein bisschen länger schlafen und danach frische Pfannenkuchen genießen. Als alle satt und die Lunchpakete gepackt waren, begaben wir uns zum Startpunkt Iftaer Baumkreuz. Hier wurden wir vom ehemaligen Bürgermeister empfangen und konnten seine Erzählungen lauschen. Danach ging es 15 km nach Treffurt. Bei perfekten Wanderbedingungen und tollen Aussichten wurde unsere Stimmung hoch gehalten. Jetzt ist es 21 Uhr. Alle sind zurück im Camp, kleinere Blessuren versorgt und die Körperpflege beendet. Draußen brennt ein Lagerfeuer und der Rest der Gruppe spielt gemeinsam in unserer Turnhalle. 
05.10. Treffurt - Hülfenberg
Mittlerweile ist die Wandergemeinschaft in ihrem Rhythmus angekommen. Um 8:00 Ihr wurden die Jugendlichen wieder mit den Lieblingsliedern ihrer Schutzengel geweckt. Wieder hieß es: Aufstehen, anziehen, fertig machen, Tasche packen, Isomatte und Schlafsack aufrollen, frühstücken und die Anhänger beladen. Heute steht nämlich der vorletzte Umzug für die diesjährige Grenzwanderung an!
Während sich die Wanderer am Startpunkt in Bewegung setzten, vollführte das Orgateam den Umzug in eine ganz besondere Unterkunft.
Aber auch die jungen Menschen bekamen unterwegs einiges zu sehen. Passierten wir filmreife Agentenschleusen und Wachtürme damaligen Grenzer, tat sich immer wieder interessierte Fragen zur damaligen auf. So wanderten Jugendliche und Pädagog*innen nebeneinander, vertieft in die verschiedensten Gespräche und bewunderten dabei, wie der Herbst auf eine ganz besondere Weise über das grüne ausbreitete. Ein wirklich toller Anblick!
Nach 18 km standen wir dann am Endpunkt des Tages, wo uns die Busse samt Orgateam bereits erwarteten!
Nachdem die Kolleg*innen aus der Unterkunft schon schilderten, dass uns heute und morgen ein besonderer Luxus erwartet, war die Spannung bei allen Beteiligten groß!
Angekommen erwartete uns dieses Mal keine Turnhalle oder ein Gemeindehaus, sonder nichts anderes als ein kleines Schloss! Irgendwann umfunktioniert zur Jugendherberge, bot das Schloss Martinsfeld einiges zu bestaunen und zu entdecken. Vor allem aber: richtige Betten!
Nach einem üppigen und leckeren Abendessen (hier gab es Szenenapplaus für unser Orgateam) zogen sich dann jung und alt gerne etwas früher aufs Zimmer zurück kuschelten sich frisch geduscht in warme Betten. 

06.10. Hülfenberg - Sickenberg

Die vergleichsweise luxuriöse Unterkunft stellte sich im Laufe der heutigen Wanderung als hervorragende Startvorraussetzung heraus. Stand doch heute die längste Route der Woche bevor! Ausgeruht und entspannt durch die gemütlichen Betten machte sich Gemeinschaft zügig auf den Weg. Gleich zu Beginn erwarteten uns die ersten Höhenmeter und es sollten nicht die letzten bleiben, da sich der bereits bekannte Kolonnenweg auf diesem Teil der Strecke über einige Berge und Täler erstreckte. An dieser Stelle soll aber gesagt sein, dass die damit verbundene Anstrengung durch einen wirklich atemberaubenden Anblick belohnt wurde! Da sich die Gemeinschaft mittlerweile gut eingespielt hatte, fiel die gelaufene Strecke nicht mehr wirklich auf. Jugendliche und Pädagog*innen kamen toll ins miteinander ins Gespräch und genossen gemeinsam den Blick auf die wunderschöne Natur!

Aufgrund der langen Strecke teilte sich die Gruppe dann auf, damit die Jugendlichen das letzte Drittel der Etappe in ihrer Geschwindigkeit laufen konnten. Team „Flott“ sprintete daraufhin los und meisterte die letzten Steigungen und Abstiege in Bestzeiten, während sich Team „Entspannt“ sich in einem gediegeneren Tempo fortbewegte. Am Ende trafen beide Teams wieder zusammen  und ließen sich wohlverdient vom Orgateam zurück shutteln.

Am Abend konnte man in stolze Gesichter blicken und über die persönlichen Highlights des Tages philosophieren.

07.10.2022 Sickenberg - Hanstein

Nachdem die Wandertruppe für zwei Nächte die fürstlichen Schlafgemächer im Schloss Martinsfeld beziehen durfte, stand für den heutigen Tag der nächste und auch letzte Umzug für die diesjährige Grenzwanderung an.

Das Genre der Weckmusik durfte an diesem Morgen von den Jugendlichen bestimmt werden. Es wird gemunkelt, dass auch diese Tatsache,neben den mittlerweile routinierten Abläufen, das Aufstehen und Packen beschleunigte.

Schweren Herzens trennte sich die Reisegruppe von der Unterkunft, hinterließ noch einen kreativen Gruß im Gästebuch des Schlosses und wurde anschließend zur allerletzten Etappe der diesjährigen Grenzwanderung geshuttlet!

Eine Mischung aus Stolz über die bisherigen Leistungen, trainierte Beine und die Tatsache, das Ziel vor  Augen zu wissen wirkte sich in besonderem Maße auf die Motivation der Jugendlichen aus, sodass bereits die ersten 6 km mühelos und in Windeseile bewältigt wurden. Hierbei passierte die Wandergruppe eines der ältesten Grenzmuseen der Bundesrepublik, das Grenzmuseum Schifflersgrund. Neben einem Original-Grenzkontrollhäuschen, konnten viele eindrucksvolle Fahrzeuge und Hubschrauber gesichtet werden.

Auch die letzten 6 km der insgesamt 15,1 km langen Wanderstrecke wurden von den Jugendlichen samt ihrer Schutzengel mit Bravour gemeistert, indem sie den letzten hohen Berg, den Teufelskanzel bewanderten und mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt wurden. Die Jugendlichen selbst sprachen von einem perfekten Wanderabschluss.

Mit lautem Applaus wurden die Teilnehmenden vom Orgateam empfangen, welches während der Wanderung die letzte Unterkunft in Lindenwerra liebevoll einrichtete und ein fantastisches Abschlussessen zubereitete.

Der Erfolg, das Durchhaltevermögen, die Leistungen und die Teilnehmenden selbst sollten natürlich gebürtig gefeiert werden! So entstanden Spielekonstellationen, es wurde gemeinsam getanzt, gesungen und der letzte Abend in vollen Zügen und mit ausgelassener Stimmung genossen, bevor sich alle ein letztes Mal in ihre Schlafsäcke kuschelten.

Der nächste Morgen wurde dann mit einem gemeinsamen Frühstück und dem Verladen der Busse und Anhänger eingeleitet und eine staufreie Rückfahrt ermöglichte ein zeitiges Ankommen in der Pauline.